gewaltfreie aktion

10 Dinge, die Sie wissen müssen, um einen Putsch zu verhindern

Wir Menschen in den USA müssen uns für freie und faire Wahlen einsetzen, aber wir müssen uns auch auf einen Putsch vorbereiten, schrieb Daniel Hunter im Herbst 2020. Das gilt jedoch auch für die diesjährigen Präsidentschaftswahlen, denn die Kandidaten sind dieselben.
Demonstration vor dem Trump-Tower in New York.
Demonstration vor dem Trump-Tower in New York. Foto: Wikimedia Commons

“Die zehn Dinge, mit denen man einen Putsch stoppen könnte” hat der Aktivist Daniel Hunter bereits im September 2020 zusammengetragen. Er hatte Angst, dass der damals amtierende Präsident, Donald Trump, die Wahlergebnisse in den USA nicht anerkennen würde. Ganz zu Recht, wie der Putsch-Versuch am 6. Januar 2021 zeigt, den Trump anzettelte. 

Nun, bald vier Jahre später, gibt es wohl dieselbe Konstellation bei den kommenden US-Wahlen und es gibt nicht wenige Personen, die Trump zutrauen, eine Wahlniederlage (wieder) nicht zu akzeptieren und seine Anhänger*innen in Stellung zu bringen. Oder andererseits nach einem Wahlsieg eine Diktatur zu errichten.

Insofern ist der Text – abgesehen von den darin enthaltenen US-amerikanischen Geschehnisse vor der Wahl 2020 – sehr aktuell und wird hier zur Diskussion gestellt.

(Die Redaktion gewaltfreie aktion)

Von Daniel Hunter, 18. September 2020

Wir haben einen Präsidenten [Donald Trump, d. Red.], der offen gesagt hat, dass er das Ergebnis unserer Wahl möglicherweise nicht anerkennen wird. Wir müssen vorbereitet sein, wenn er den Sieg für sich beansprucht, bevor die Stimmen ausgezählt sind, wenn er versucht, die Auszählung zu stoppen, oder wenn er sich weigert, eine Niederlage zu akzeptieren.
An manchen Tagen denke ich, dass es wirklich so weit kommen wird. Laut dem Guardian hat eine Umfrage ergeben, dass über 75 Prozent der Demokrat*innen dies für möglich halten – und schockierende 30 Prozent der Republikaner*innen tun dies auch!
An anderen Tagen bin ich sicher, dass es sich nur um markige Worte eines Präsidenten handelt, der nicht gut im Vorausplanen ist. Dennoch ist er gut darin, die Leute irrezuführen und selbstzufrieden und reaktionär zu machen.
Was dazu führen könnte, dass wir die wichtige Basisarbeit zur Förderung der Wahlbeteiligung, zum Schutz der Briefwahl und zur Verhinderung der Unterdrückung von Wähler*innen nicht mehr leisten.
Was ich hier schreibe, bedeutet mitnichten, dass wir mit dem, was wir jetzt tun, aufhören sollen. Im Gegenteil: Ich bin Mitglied einer Initiative mit dem Namen „Choose Democracy“, die die Menschen auf die Möglichkeit eines Staatsstreichs vorbereitet, während sie diese gleichzeitig für freie und faire Wahlen mobilisiert. Schließlich ist der beste Weg, einen Putsch zu verhindern, der, keinen zu haben.
Diese zehn Leitlinien beruhen auf den umfangreichen Erfahrungen und Erkenntnissen aus vielen Ländern, die seit dem Zweiten Weltkrieg einen Staatsstreich erlebt haben. Zur Vertiefung könnt Ihr eine Reihe ausführlicherer Fallstudien bei „Choose Democracy“ oder ein auch längeres evidenzbasiertes Handbuch mit dem Titel „Hold the Line: A Guide to Defending Democracy“ lesen.

Fangen wir an!

1. Erwartet keine seriösen Wahlergebnisse in der Wahlnacht!

Die Wahlsaison 2020 entwickelt sich zu einer sehr ungewöhnlichen Erfahrung. Viele Briefwahlstimmen werden möglicherweise erst Tage oder Wochen nach dem Wahltag ausgezählt. Da die Demokrat*innen voraussichtlich häufiger von der Briefwahl Gebrauch machen werden als die Republikaner*innen, wird erwartet, dass sich die Stimmauszählung nach der Wahlnacht zu Gunsten der Demokratischen Partei verschieben wird (d.i. die „blauen Verschiebung“, da blau die Farbe der Demokratischen Partei ist). Infolgedessen kann es ab der Wahlnacht zu einer Menge Verwirrung kommen.
Das seltsame Wahlkollegium eröffnet mehrere Möglichkeiten, um in den Wahlprozess eizungreifen. Nach der Wahlnacht (3. November) kann eine eigensinnige Generalstaatsanwaltschaft oder Regierungsangestellte aufgrund von Behauptungen über Wahlfälschungen versuchen, die Auszählung zu stoppen oder Wahlzettel auszuschließen.
Am 14. Dezember treten die Delegierten des Wahlkollegiums zusammen und stimmen über das Ergebnis auf Bundesebene ab. Dies geschieht in der Regel ohne großes Aufsehen, aber in Bundesstaaten mit wechselnden Mehrheiten kann es vorkommen, dass die Regierung und das Parlament des Bundesstaates unterschiedliche Ergebnisse übermitteln – wobei die eine Seite die Ergebnisse der Wähler*innen widerspiegelt und die andere Seite behauptet „Betrug! Betrug!“ „Wir wissen es besser!“ Dies ist vor allem in Swing States wie Pennsylvania problematisch, wo der Gouverneur und die Parlamentsmehrheit?? verschiedenen Parteien angehören.
Solche Fragen werden am 6. Januar vom neuen Kongress auf Bundesebene geklärt. Und wenn sich das Repräsentantenhaus und der Senat nicht auf ein Ergebnis einigen können, kommt es zu einem komplizierten Verfahren, bei dem das neu gewählte Repräsentantenhaus – mit einer Stimme pro Staat – den Präsidenten bestimmt. In der Zwischenzeit wählt der Senat (mit Mehrheit) die neue Vizepräsidentin oder den neuen Vizepräsidenten (Auf #ShutDownDC gibt es eine visuelle Aufschlüsselung dieser Schritte).
In dieser Zeit ist mit Falschinformationen und haarsträubenden Behauptungen zu rechnen. Seid bei Nachrichten sehr vorsichtig. Gebt nicht einfach alles weiter, was nach dramatischen Beispielen für Fehlverhalten aussieht – sondern nehmt euch die Zeit zu prüfen, ob die Behauptungen verifiziert oder bereits als falsch entlarvt wurden. Oder ob sie von einer Quelle stammen, der ihr nicht traut. Ermutigt die Menschen in eurer Gemeinde, sich auf einige unsichere Wochen vorzubereiten. Sobald die Wahlergebnisse vorliegen, muss die Botschaft laut und deutlich vermittelt werden: Zählt alle Stimmen aus und erkennt das Ergebnis an.

2. Nennen Sie es einen Putsch.

Ein Grund, den Begriff des Staatsstreichs zu verwenden, ist, dass die Menschen wissen, dass so etwas falsch ist und eine Verletzung der demokratischen Normen darstellt – selbst, wenn sie mit der genauen Definition eines Staatsstreichs nicht vertraut sind. Begriffe wie „Wahlmanipulation“ oder „Wählerunterdrückung“ signalisieren eine Verschlechterung des demokratischen Prozesses. Aber wenn wir in eine Putschsituation kommen – z.B. jene, falls Trump einfach nicht gehen will – müssen wir die Menschen dabei unterstützen, unserem Land zu einer psychischen Pause Bruch mit der Realität zu verhelfen. Patrick Reinsborough definiert einen psychischen Bruch dieser Art als eine radikale Verschiebung der Realitätswahrnehmung. Ereignisse können nicht mehr in seit Langem verinnerlichte Narrative und Überzeugungen eingeordnet werden. In der Folge werden diese in Frage gestellt und das Individuum, die Gruppe oder die Gesellschaft entwickelt eine Offenheit für neue Überzeugungen und Deutungen der Realität. Einen solchen Bruch in die richtigen Bahnen zu lenken, die fort von den Intentionen des Putsches zielen, wäre die Aufgabe der Bewegungen gegen den Putsch [Einfügen der Red.].
Wir wissen, dass es ein Putsch ist, wenn die Regierung:

  • die Auszählung der Stimmen stoppt
  • eine Person zum Sieger erklärt, die nicht die meisten Stimmen erhalten hat
  • oder einer Person erlaubt, an der Macht zu bleiben, die die Wahl nicht gewonnen hat.

Dies sind vernünftige rote Linien, die die Menschen sofort begreifen können und an die die Mehrheit der Amerikaner*innen weiterhin glaubt.
Diejenigen, die die Macht an sich reißen, behaupten immer, dass sie es tun, um die Demokratie zu retten, oder dass sie die „wahren“ Wahlergebnisse kennen. Es muss also nicht wie ein Militärputsch aussehen, bei dem ein Anführer die Verhaftung der Opposition anordnet.
Wenn gegen eines dieser drei Prinzipien verstoßen wird, müssen wir laut und deutlich erklären: Dies ist ein Putsch.

3. Seid Euch bewusst, dass Putsche bereits von ‚normalen‘ Menschen gestoppt worden sind.

Putschversuche hat es überall auf der Welt gegeben, und mehr als die Hälfte ist gescheitert. Das liegt daran, dass es schwer ist, einen Putsch umzusetzen. Ein Putsch ist eine Verletzung von Normen. Er erfordert eine schnelle Übernahme von Institutionen auf mehreren Ebenen. Das geht nur, wenn die Putschist*innen ihren Anspruch, die rechtmäßige Macht zu sein, vermitteln können.
Staatsstreiche scheitern in der Regel, wenn den staatlichen Institutionen (z. B. Wahlen) vertraut wird, wenn es eine aktive Bürgerschaft gibt und wenn andere Länder bereit sind, sich zu engagieren. Die Rolle der Bürgerschaft ist entscheidend. Denn in der Zeit unmittelbar nach einem Putschversuch – wenn die neue Regierung behauptet, sie sei die „wahre“ Regierung – müssen alle Institutionen entscheiden, auf wen sie hören wollen.
Der gescheiterter Kapp-Putsch in Deutschland im Jahr 1920 ist ein Beispiel. Die Bevölkerung war aufgrund der Niederlage im Ersten Weltkrieg und die nachfolgend hohe Arbeitslosigkeit unzufrieden. Rechtsgerichtete Nationalisten [um Wolfgang Kapp, d. Red.] organisierten einen Staatsstreich und nahmen mit Hilfe einiger Generäle die Regierungsgebäude in Besitz. Die abgesetzte Regierung floh, befahl aber allen Bürger*innen, nur ihr zu gehorchen. „Solange die Militärdiktatur regiert, darf kein Unternehmen arbeiten“, erklärten sie.
Schnell begann der gewaltfreie Widerstand und breitete sich weiter aus. Druckereien weigerten sich, die Zeitungen der neuen Regierung zu drucken. Beamt*innen weigerten sich, die Befehle der Putschisten auszuführen. Und Flugblätter, die ein Ende des Putsches forderten, wurden mit dem Flugzeug und per Hand verteilt.
Es wird erzählt, dass der Anführer des Putsches in den Korridoren auf und ab ging und vergeblich nach einer Sekretärin suchte, die seine Proklamationen abtippte. Der Widerstand wuchs, und schließlich wurde die demokratische Regierung,die immer noch große Probleme hatte,wieder an die Macht gebracht. Der Moment nach einem Putsch ist ein Beweis des Heldentums in der Bevölkerung. Auf diese Weise wird die Demokratie Wirklichkeit.

4. Sei bereit, schnell zu handeln – aber nicht alleine!

In der Regel werden Machtübernahmen im Geheimen organisiert und plötzlich eingeleitet. Die meisten Kampagnen, die einen Putsch niederschlagen, dauern nur wenige Tage: In der Sowjetunion dauerte es 1991 drei Tage, in Frankreich 1961 vier Tage und in Bolivien 1978 16 Tage.
Es ist selten, dass ein Staatschef öffentlich zugibt, dass er das Wahlergebnis möglicherweise nicht anerkennen wird, so wie es Donald Trump getan hat. Das ist eine gute Nachricht, denn Menschen, die einen Staatsstreich verhindern, haben selten die Möglichkeit, geschult, gewarnt oder vorbereitet zu werden. So wissen wir schon vorher, womit wir rechnen müssen.
Eine Gruppe von Politik-Expert*innen, die sich „Transition Integrity Project“ nennt, hat mehrere Simulationen durchgeführt, z. B. was passieren könnte, wenn Biden knapp gewinnt oder wenn Trump einfach den Sieg erklärt, obwohl es keinen klaren Sieger gibt. In jeder Simulation kamen sie zu dem Schluss, dass ein „zahlenmäßiges Auftreten auf der Straße entscheidend sein könnte“. ‚Normale‘ Menschen machen den Unterschied.
Um mit den Vorbereitungen zu beginnen, sprich mit mindestens fünf Personen, die mit Dir auf die Straße gehen würden. Am wahrscheinlichsten werden sie tatsächlich auf die Straße gehen, wenn sie wissen, dass dabei auch Menschen sind, die sie kennen und denen sie vertrauen. Frag Menschen, die du kennst, die im öffentlichen Dienst oder ähnlichen Funktionen arbeiten, wie sie Putschversuche verhindern können. Nutz diese Zeit, um dich darauf einzustellen zu handeln.

5. Konzentriert euch auf gemeinsame demokratische Werte, nicht auf Einzelpersonen.

In Argentinien kam es 1987 zu einem Staatsstreich, als ein Major der Luftwaffe Hunderte von Soldaten auf seinem Stützpunkt hinter sich scharte. Er wehrte sich gegen die Versuche der zivilen Regierung, das Militär zu demokratisieren und es unter zivile Kontrolle zu stellen.
Während die zivile Regierung versuchte, in aller Stille eine Einigung mit den Putschisten auszuhandeln, ging das Volk auf die Straße. Entgegen der Aufforderung der Regierung marschierten 500 Bürger*innen mit dem Slogan „Es lebe die Demokratie! Argentinien! Argentinien!“ Sie hätten ihre Zeit damit verbringen können, den putschenden Major anzugreifen. Stattdessen appellierten sie an ihre Mitbürger*innen, die Demokratie zu wählen. Der Major versuchte, sie mit einem Panzer fernzuhalten, aber die Demonstrant*innen drangen trotzdem in den Stützpunkt ein, und er wusste, dass er durch offenes Schießen auf gewaltlose Zivilist*innen noch mehr an Glaubwürdigkeit verlieren würde. Bald gingen 400.000 Menschen in Buenos Aires auf die Straße, um gegen den Putsch zu demonstrieren.
Dies gab der zivilen Regierung, die weitgehend abwesend gewesen war, Kraft. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die katholische Kirche, Unternehmen und Gewerkschaften schlossen sich unter dem Versprechen zusammen, „die Verfassung, den normalen Ablauf der Regierungsgeschäfte und die Demokratie als einzig tragfähige Gesellschaftsordnung auf jede erdenkliche Weise zu schützen“. Die Putschisten verloren ihre Legitimität und kapitulierten bald.

Demonstration in Washington
Demonstration in Washington. Foto: Ted Eytan, CC BY-SA 4.0 DEED]

Dieser Ansatz unterscheidet sich von jenen Demonstrant*innen, die mit einer Beschwerdeliste gegen einen umstrittenen Führer auf die Straße gehen. Stattdessen geht es darum, weithin geteilte demokratische Grundwerte hochzuhalten. In unserem Projekt verwenden wir die Formulierung „Demokratie wählen“.
Dies bestätigt eine weitere Erkenntnis aus der Forschung über den Widerstand gegen Putschversuche: Da ein Putsch einen Angriff auf die bestehende Ordnung darstellt, sind konservativ eingestellte Personen, die sich sonst vielleicht nie der Sache anderer Bewegungen anschließen würden – offen dafür, sich an Straßenaktionen zu beteiligen ¬ zumindest dann, wenn sie über demokratische Werte, mit denen sie sich identifizieren, zu den Aktionen aufgerufen werden.

6. Überzeugt die Leute, nicht stillschweigend hinzunehmen, was passiert.

Stellt euch vor, dass in eurem Unternehmen ein korrupter Chef entlassen und ein neuer eingestellt wird. Anstatt zu gehen, sagt euer alter Chef: „Ich bin immer noch der Chef. Tu, was ich sage.“ Ein paar Mitarbeiter*innen erklären daraufhin: „Wir nehmen nur Befehle vom alten Chef entgegen.“ An diesem Punkt kommen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens auf.
Dieser Zweifel ist der Grund für den Erfolg von Staatsstreichen. Genügend Leute erstarren. Schon wenn nur ein paar Leute den Putsch mitmachen und so tun, als wäre das normal, werden die Leute ihn vielleicht widerwillig als unvermeidlich akzeptieren.
In allen Untersuchungen zur Verhinderung von Staatsstreichen gibt es ein gemeinsames Thema: Die Menschen tun nicht mehr das, was die Putschisten ihnen sagen.
In Deutschland weigerten sich 1920 alle – vom Militärkommandanten bis zur Sekretärin -, die Befehle des Putschisten Kapp zu befolgen. In Mali riefen sie einen landesweiten Streik aus. Im Sudan legten die Demonstrant*innen die von der Regierung unterstützten Radiosender lahm und besetzten die Landebahnen der Flughäfen. In Venezuela wurden alle Geschäfte geschlossen.
Das ist etwas ganz anderes als Massenaufmärsche in der Hauptstadt oder Straßenproteste, bei denen Kreuzungen blockiert werden. Es geht nicht um Protest, sondern darum, die Menschen dazu zu bringen, ihre Grundwerte zu bekräftigen – z. B. in den Büros der gewählten Vertreter*innen aufzutauchen, um sie dazu zu bringen, die Wahlergebnisse anzuerkennen. Es geht nicht um einzelne Aktionen wie Märsche in Washington – sondern um Aktionen wie Massenstreiks von Jugendlichen und Studierenden, die sich weigern, zur Arbeit oder zur Schule zu gehen, bis alle Stimmen ausgezählt sind.
Bei Staatsstreichen kann man nicht einfach zusehen und warten, bis „jemand anderes“ etwas macht. Unabhängig davon, wer ihr seid, könnt ihr euch an der Wahl für die Demokratie beteiligen.

7. Sich zu Aktionen verpflichten, die für Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Gewaltfreiheit stehen.

Die Verhinderung eines Putsches hängt von der Größe der Mobilisierung ab und davon, die politische Mitte für sich zu gewinnen. Es ist in Wirklichkeit ein Kampf um Legitimität. Welche Stimme ist legitim? Einige Leute haben sich bereits eine Meinung gebildet. Es geht also darum, diejenigen zu überzeugen, die noch unsicher sind – und das sind vielleicht mehr, als Sie erwarten.
Um sie auf unsere Seite zu ziehen, muss diese unsichere Mitte davon überzeugt werden, dass „wir“ für Stabilität stehen und die Putschenden für die Ablehnung von demokratischen Normen, vonWahlen und Abstimmungen. Wir erreichen dieses Ziel nicht, wenn wir potenzielle Überläufer entmenschlichen, pauschale Aussagen wie „die Polizei wird nicht helfen“ machen, wenn wir die Menschen niemals ermutigen, sich unserer Seite anzuschließen, oder wenn wir chaotische Szenen auf der Straße verursachen.
In der Vergangenheit hat immer diejenige Seite verloren, die am häufigsten auf Gewalt zurückgegriffen hat. In einem Moment der Ungewissheit entscheiden sich die Menschen für die Seite, die ein Höchstmaß an Stabilität verspricht, demokratische Normen respektiert und am sichersten zu sein scheint. Es ist ein Wettbewerb darum, wer am legitimsten sein kann.
Der Massenwiderstand gegen einen Putsch gewinnt durch Arbeitsniederlegungen und Streiks, die Verweigerung von Befehlen und durch den Widerstand gegen die Unterdrückung der Zivilgesellschaft, bis die rechtmäßige, demokratisch gewählte politische Führung wieder eingesetzt ist. Damit Massenbewegungen erfolgreich gegen einen Putsch vorgehen können, sollten sie sich weigern, der anderen Seite Gewalt anzutun.

8. Ja, ein Staatsstreich kann in den Vereinigten Staaten stattfinden.

Es mag schwer vorstellbar sein, dass in diesem Land ein Staatsstreich stattfindet. Aber jedes Mal, wenn angeordnet wird, die Auszählung der Stimmen zu stoppen, nennen wir das einen Staatsstreich.
Selbst nach der strengsten Definition von Putschen hat es in den Vereinigten Staaten einen militarisierten Putsch gegeben. Im Jahr 1898 organisierten weiße Rassist*innen in Wilmington, North Carolina, angesichts des Aufstiegs einer wohlhabenden und erfolgreichen schwarzen Bevölkerungsschicht einen Staatsstreich. Sie riefen: „Wir werden uns niemals einem zerlumpten Haufen von N* ergeben, selbst wenn wir den Cape Fear River mit Leichen verstopfen müssen“.
Trotz einer Terrorkampagne vor der Wahl war die Wahlbeteiligung unter der schwarzen Bevölkerung hoch, und es wurde eine Reihe von schwarzen Kandidat*innen gewählt. Die Macht der aufsteigenden Schichten traf auf die Gewalt der weißen Rassist*innen, die, je nach Quelle, 30 bis 300 Menschen töteten, darunter auch neu gewählte Amtsträger*innen. Mehr als 3.000 Menschen flohen vor dieser extremen Gewalt, und die Ära von Jim Crow begann: die Segregation zwischen Personen weißer und schwarzer Hautfarbe und die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung.

Setzt auf innere Ruhe, verbleibt nicht in Angst.

Es ist beängstigend, dass wir hier tatsächlich über einen Staatsstreich in den Vereinigten Staaten sprechen müssen. Und wir wissen, dass ängstliche Menschen seltener gute Entscheidungen treffen. Bemühen wir uns um Ruhe und vermeiden wir Übertreibungen. Seid eine verlässliche Quelle, indem ihr Gerüchte doppelt überprüft und echte Fakten verbreitet. Ja, lest ruhig die sozialen Medien… aber verbringtauch etwas Zeit damit, echte Dinge zu tun, die euch erden. Atmet tief durch. Erinnert euch daran, wie ihr mit Angst umgeht.
Spielt Szenarien durch, aber lasst euch nicht von ihnen vereinnahmen.
Wir machen das, um uns vorzubereiten, nur für den Fall, dass … .

10. Bereitet euch darauf vor, einen Putsch vor den Wahlen zu verhindern.

Der beste Weg, einen Putsch zu verhindern, ist, dass gar kein Putsch stattfindet. Die Menschen leisten viel gute Arbeit in Sachen Wahlrecht, drängen zur Wahlbeteiligung, gehen gegen vor, dass Menschen an einer Wahlbeteiligung gehindert werden, decken Betrug auf und bringen die Menschen dazu, sich für die Demokratie einzusetzen. Das mag ausreichen.
Eine weitere Möglichkeit der Vorbereitung besteht darin, die Menschen dazu zu bringen, aktiv zu werden, damit sie nicht in Erstarrung verfallen und überrumpelt werden. Die klassische Formulierung dafür ist das „Wenn-dann“-Modell, das vom „Pledge of Resistance“ entwickelt wurde [Gelöbnis des Widerstands; geht auf den Widerstand gegen die Zentralamerikapolitik der Regierung Ronald Reagans zurück und den Versuch vorbeugende Maßnahmen des Widerstands zu ergreifen, d. Red.]. Bei diesem Modell bereiten sich die Menschen auf eine Aktion vor, indem sie sagen: „Wenn es zu dieser schlimmen Sache kommt, dann werde ich handeln.“ Durch die Unterzeichnung einer Selbstverpflichtung vor dem entscheidenden Moment wird eine breitere Akzeptanz erreicht.
In diesem Sinne hat Choose Democracy folgende Selbstverpflichtung abgegeben:

  1. Wir werden wählen.
  2. Wir werden uns weigern, die Wahlergebnisse zu akzeptieren, bevor nicht alle Stimmen ausgezählt sind.
  3. Wir werden gewaltlos auf die Straße gehen, wenn ein Putschversuch unternommen wird.
  4.  Wenn es sein muss, werden wir das Land lahmlegen, um die Integrität des demokratischen Prozesses zu schützen.

Sie können die Selbstverpflichtung von „Choose Democracy“ unterschreiben und sich mit Menschen aus dem gesamten politischen Spektrum zusammenschließen! Diese öffentlichen Verpflichtungen im Vorfeld erhöhen die politischen Kosten eines Putschversuchs – denn der beste Weg, einen Putsch zu verhindern, ist, ihn abzuschrecken.

Zum Autor: Daniel Hunter

Daniel Hunter ist Global Trainings Manager bei 350.org und Lehrplanentwickler bei Sunrise Movement. Er hat zahlreiche ethnische Minderheiten in Burma, Pastor*innen in Sierra Leone und Unabhängigkeitsaktivist*innen im Nordosten Indiens ausgebildet. Er hat mehrere Bücher geschrieben, darunter das „Climate Resistance Handbook“ und „Building a Movement to End the New Jim Crow“.

Nach oben scrollen