Von Achim Schmitz und Christian Büttner
Der IFGK-Studientag befasste sich am 15. November 2025 mit folgenden Themen:
- Gewaltfreiheit im Bild
- Überlegungen zur Abschreckungswirkung der Sozialen Verteidigung
- Demonstrieren und was dann? Von der Demokratie zum Faschismus?
1. Gewaltfreiheit im Bild
Im ersten Vortrag beschäftigte sich Eliane Gerber (Aktivistin, Kommunikationsdesignerin und Designforscherin von der Hochschule der Künste in Bern) mit der Frage, wie Gewaltfreiheit in Bildern sichtbar gemacht wird. Sie referierte über ihre Begleitforschung zur Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“.
Ausgangspunkt sind Fotos und visuelle Materialien aus der aktivistischen Praxis. Anhand dieser Beispiele wird erforscht, wie Bilder im Protestkontext wirken, welche Formen visueller Überzeugungskraft sie nutzen und wie sie Gewalt und Widerstand darstellen.
Gerber nutzt in ihrer Forschung Ansätze aus der visuellen Rhetorik. Design werde oft mit Marketing und Manipulation gleichgesetzt und damit in die Nähe von Gewalt gerückt. Auch wenn diese Kritik oft gerechtfertigt sei, so darf nicht vergessen werden, dass sich Designforschung auch mit den Fragen beschäftigt, wie Kommunikation und Verständigung überhaupt gelingen, wie Kommunikationsräume geschaffen werden und Zuhören gestaltet werden können.
Im Rahmen ihrer Feldforschung führte sie Interviews mit Aktiven der Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“ durch. Außerdem analysierte sie aktivistische Handbücher, z.B. der War Resisters’ International.
Dabei konstatierte sie eine Überschneidung von aktivistischen Kommunikationszielen mit Kommunikationszielen aus dem Journalismus und Marketing. Es gebe aber auch für gewaltfreie Kampagnen spezifische Kommunikationsziele, wie etwa das Ziel der Ermächtigung von Adressaten.
Bei den Aktiven der Kampagne sah sie große sprachliche Kompetenz. Die Kampagne arbeite viel über Texte und weniger über Bilder. Gerade wenn junge Menschen angesprochen werden sollen, gehe es um einen verstärkten Aufbau von Bildkompetenz. Eine weitere Aufgabe könne darin bestehen, Lehrmittel und Videos zur Thematik zu erstellen.
2) Überlegungen zur Abschreckungswirkung der Sozialen Verteidigung
Christine Schweitzer, Mitarbeiterin im IFGK, stellte in ihrem Vortrag erste Überlegungen aus der geplanten Veröffentlichung im Projekt „Soziale Verteidigung – heute“ vor.
Sie zeigte auf, dass das Konzept der Sozialen Verteidigung (SV) bereits in der Zeit des Kalten Kriegs im Hinblick auf mögliche Abschreckungswirkung diskutiert wurde. Autoren wie Gene Sharp oder Theodor Ebert sahen in der SV ein Äquivalent zur militärischen Verteidigung und beschäftigten sich mit der potenziell abschreckenden Wirkung des Konzepts.
Sie argumentierten, dass statt – wie bei der militärischen Verteidigung – ein „hoher Eintrittspreis“ verlangt werde, bei der SV der Angreifer einen „hohen Aufenthaltspreis“ zahlen müsse. Daher erfordere die Soziale Verteidigung Vorbereitung und eine entsprechende Verteidigungsstruktur, die glaubwürdig wirke und Entschlossenheit signalisiere. Nicht nur der Nutzen einer Besetzung sei von Bedeutung, sondern die Kosten für Kontrolle und Herrschaft würden die Intervention unattraktiv machen.
Die Forschung zeigt, dass die Annahme einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse durch den Angreifer fraglich ist. Sowohl militärische Abschreckung als auch gewaltfreie Abhaltung von Angriffen hängen von der Wahrnehmung und Motivation des potenziellen Angreifers ab.
Obwohl Studien der letzten Jahre die Wirksamkeit gewaltfreien Widerstands belegen, stellen sich weitere Fragen an das Konzept der Sozialen Verteidigung:
- Haben autoritäre Staaten gelernt, mit gewaltfreiem Widerstand umzugehen und ihn zu brechen?
- Wie lässt sich die Bereitschaft der Bevölkerung zum Widerstand einschätzen?
- Arrangiert man sich mit der Situation und konzentriert sich auf das Überleben?
- Welche Auswirkungen hat die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft?
Die Soziale Verteidigung bleibe die radikalste Form der Abrüstung. Sie bedrohe andere nicht. Deshalb sei es wichtig, das Konzept weiterzudenken und dabei Erfahrungen aus der Zivilen Konfliktbearbeitung sowie Ansätze gemeinsamer Sicherheit mitzudenken.
3. Demonstrieren und was dann? Von der Demokratie zum Faschismus?
Im dritten Vortrag des Studientages beschäftigte sich Uli Wohland, Mitarbeiter im IFGK, mit der Frage, Er brachte seine Erfahrungen aus seinem langjährigen Engagement in der Friedens- und Klimabewegung, aber auch aus den Bewegungen gegen Rechts ein. Ähnlich wie bei der Sozialen Verteidigung gegen militärische Okkupationen schlug er vor, „Handbücher“ bzw. „Forschungspläne“ mit Handlungsanleitungen für die verschieden Akteure, wie NGOs oder Soziale Bewegungen zu entwickeln, um die unerwünschten Entwicklungen zu verhindern.
Im folgenden Teil des Vortrages stellte er vor, welche Phasen einer sterbenden Demokratie er identifizierte, wie das Fortschreiten der Zerstörungsentwicklung erkennbar wird und verschiedenen Phasen zugeordnet werden kann.
Im Anschluss präsentierte er Maßnahmen, die verschiedene Akteure in einer bedrohten Demokratie jeweils in diesen Phasen ergreifen könnten. Für Soziale Bewegungen schlug er zum Beispiel vor, dass sie sich in Wahlkämpfe in gefährdeten Regionen einmischen oder den Schutz von gefährdeten Personen oder Politikern organisieren könnten. Der Staat, so Wohland, könnte konsequenter gegen verfassungsfeindliche oder extremistische Akteure vorgehen.
Im letzten Teil seines Vortrages beschäftigte er sich mit (z.T. gescheiterten) Taktiken und der Wahl der Strategie: Statt eines kopflosen Aktivismus sollte die Wahl der Strategie mit Hilfe dreier Fragen gefunden werden:
- Wie ernst ist die Lage?
- Geht es darum Erreichtes zu verteidigen oder sollen offensiv neue Mehrheiten gewonnen werden?
Zuletzt sollte die eigene Haltung überdacht werden:
- Was gilt es zu schützen bzw. wo muss Bestehendes transformiert werden, um weitere Erosionsprozesse zu verhindern?
Im Schlusswort appellierte er, über das „Empört Euch“ hinaus sich zu aktivieren und zu organisieren.
Vormerken: 7. März 2026
Der nächste Studientag findet in Präsenz (und Online) am 7. März 2026, wieder von 10 bis 17 Uhr, in Essen statt.
Zu den Autoren
Achim Schmitz ist Vorsitzender des Instituts für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung (IFGK e.V.) und freier Trainer für Gewaltfreiheit in Krefeld.
Christian Büttner ist aktiv im IFGK. Er hat die Webseite von gewaltfreieaktion.de konzipiert und betreut sie federführend.