Pressemitteilung bzw. Rede von António Guterres
Pressemitteilung anlässlich des Internationalen Tags der Gewaltfreiheit 2024
New York, 2. Oktober 2024
Am Internationalen Tag der Gewaltlosigkeit gedenken wir des Geburtstags von Mahatma Gandhi und bekräftigen die Werte, denen er sein Leben gewidmet hat: Gleichberechtigung, Respekt, Frieden und Gerechtigkeit.
Unsere heutige Welt strotzt vor Gewalt. Überall auf dem Globus wüten Konflikte. Von der Ukraine über den Nahen Osten bis zum Sudan, und weit darüber hinaus schaffen Kriege eine Höllenlandschaft der Zerstörung, des Elends und der Angst. Soziale Ungerechtigkeit und Klimachaos untergraben die Grundlagen des Friedens. Und der Hass, der im Internet geschürt wird, schwappt auf die Straßen über.
Der UN-Zukunftsgipfel im vergangenen Monat gab Anlass zur Hoffnung. Die Mitgliedsstaaten kamen zusammen, um den Grundstein für einen erneuerten Multilateralismus zu legen, der in der Lage ist, Frieden in einer sich wandelnden Welt zu schaffen. Das heißt auch, den Blick wieder stärker auf zugrundeliegende Konfliktursachen zu richten: von Ungleichheit bis hin zu Armut und gesellschaftlicher Spaltung. Jetzt müssen die Mitgliedsstaaten diese Verpflichtungen in die Tat umsetzen.
Gandhi glaubte, dass Gewaltfreiheit die größte Kraft ist, die der Menschheit zur Verfügung steht – mächtiger als jede Waffe. Lassen Sie uns gemeinsam Institutionen aufbauen, die dieser hehren Vision gerecht werden.
Originaltext: https://press.un.org/en/2024/sgsm22390.doc.htm
Ansprache des Generalsekrektärs der Vereinten Nationen, António Guterres, vom 25. September 2019
Es ist mir eine große Freude und Ehre, heute hier zu sein und den 150. Geburtstag von Mahatma Gandhi zu würdigen – einem der Giganten des 20. Jahrhunderts, einer globalen Ikone des Friedens und einem Fürsprecher der Schwächsten.
Ich danke Premierminister Modi und der indischen Delegation bei den Vereinten Nationen für die Einberufung dieses Treffens.
Die Einheit der Dinge
Gandhijis Vision und Philosophie sind Grundpfeiler der Arbeit der Vereinten Nationen [das Ehrensuffix „ji“ drückt im indischen Kulturkreis Respekt und Zuneigung aus, Anmerkung der Redaktion].
Ein Teil seiner Genialität lag in der Fähigkeit, die enge Verbindung und Einheit aller Dinge zu erkennen. An der Spitze der Bewegung, die die Kolonialherrschaft in Indien beendete – in seinen politischen Errungenschaften – ließ er Frieden, Liebe und Integrität überdauern. Seine Vision ging jedoch weit über die Politik hinaus und umfasste auch die Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung.
Gandhi propagierte Gewaltfreiheit nicht nur als Philosophie und politische Strategie, sondern auch als Mittel, um Gerechtigkeit und gesellschaftliche Veränderung zu erreichen. In der Tat skizzieren viele seiner Ideen bereits das ganzheitliche Denken der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Gandhi wusste, wie wichtig es ist, sich für das Thema Hygiene einzusetzen. Er führte Kampagnen für sauberes Trinkwasser und Sanitärausstattung an, als dieses Thema noch ein großes Tabu war. Gandhis Einsatz für Menschen aus unteren Kasten und für, die sogenannten „Unberührbaren“, die er in „Harijan“ oder „Kinder Gottes“ umbenannte, sollte uns in unseren Bemühungen bestärken, niemanden zurückzulassen und denjenigen, die am weitesten zurückliegen, zuerst zu helfen.
Aus dem Blickwinkel der Bescheidensten
Gandhi betrachtete die Welt aus dem Blickwinkel der Geringsten und Bescheidensten – und wird dennoch als eine der größten Autoritäten aller Zeiten anerkannt. Seine Werte sind wahrhaft grenzüberschreitend. Wir haben eine Briefmarke der Vereinten Nationen herausgegeben, um dieses Ereignisses zu gedenken, und wir befinden uns in Gesellschaft von mehr als 100 Ländern, die Briefmarken zu Ehren dieser weltweiten Autorität herausgegeben haben oder dies planen.
Gandhis bleibendes Vermächtnis ist seine fortwährende Relevanz für unser Denken und Handeln in einem breiten Spektrum von Themen, vom Umweltschutz bis zur Förderung von Gerechtigkeit, von der Bildung bis zur Verringerung der Ungleichheit. Seine Lehren sind nach wie vor aktuell und regen zum Nachdenken an. Dazu gehört auch, dass er betont, wie wichtig es ist, sich der Wahrheit mutig zu stellen.
Kultur des Friedens und Wirksamkeit der gewaltfreien Nicht-Zusammenarbeit
Gandhis wichtigstes Vermächtnis besteht darin, eine Kultur des Friedens geschaffen, die Wirksamkeit der gewaltfreien Nicht-Zusammenarbeit unter Beweis gestellt und die Welt auf die Kluft zwischen dem, was wir tun, und dem, was wir zu tun imstande sind, aufmerksam gemacht zu haben.
Gandhis Ideen leiten jeden Tag die Arbeit der Vereinten Nationen für Gleichberechtigung, für die Ermächtigung von Menschen in Gesellschaft und Politik sowie für eine globale Bürgerschaft. Ich weiß, dass sie auch das Denken vieler weltweit führender Politiker*innen bestimmen.
Mit dem Geist zur nachhaltigen Entwicklung
Ich lege denjenigen, die sich entschlossen haben Gandhis Vermächtnis hochzuhalten, ans Herz diesen Jahrestag mit einem Projekt im Zusammenhang mit einem der nachhaltigen Entwicklungsziele zu würdigen. Dies wäre fürwahr eine angemessene Art und Weise, diesen äußerst handlungsorientierten Reformer zu ehren.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um der indischen Regierung dafür zu danken, dass sie die Abschaffung von Einwegplastik bei den Vereinten Nationen sowie die Installation von Solarzellen und eines grünen Daches auf dem Konferenzgebäude unterstützt.
Ich wünsche Ihnen allen eine erfolgreiche und inspirierende Tagung und die Fähigkeit, das Denken und die Lehre Gandhis vollständig zu verstehen und in unseren Herzen lebendig werden zu lassen.
(Bemerkungen von S.E. Herrn António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, bei der Veranstaltung „Leadership Matters: Relevanz von Mahatma Gandhi in der heutigen Welt”, 25.09.2019). Das Video findet sich auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=D9vDVXiwWMw&t=1s )
Zum Autor
António Guterres, geb. 1949, ist seit dem 1. Januar 2017 Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Zuvor war der Portugiese seit 1976 Abgeordneter für die Sozialistische Partei Portugals, von 1995 bis 2002 Premierminister Portugals und von 1999 bis 2005 Präsident der Sozialistischen Internationale.
Danach war Guterres von 2005 bis 2015 Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen.