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„Mit Bio-Landbau Frieden schaffen“ – Interview mit Rommel Arnado

Im Interview mit Bernward Geier erzählt Rommel Arnado, seit 2010 Bürgermeister von Kauswagan im Norden der philippinischen Insel Mindanao, wie er sein Projekt „Arms to Farms“ umgesetzt hat.
Hier ist das Titelbild zu sehen. Es zeigt Rommel Arnado auf einer Konferenz des Bio-Landbau-Verband ALGOA.
Es zeigt Rommel Arnado auf einer Konferenz des Bio-Landbau-Verband ALGOA. (Fotorechte: Bernward Geier)

Herr Arnado, als Sie 2010 Bürgermeister von Kauswagan wurden, standen Sie vor einer riesigen Herausforderung. Welche war das?

Die Menschen in Kauswagan lebten in permanenter Angst und rannten oft sprichwörtlich um ihr Leben, denn unsere Region war damals das Epizentrum eines kriegerischen Konfliktes zwischen den separatistischen Guerillakriegern der Moro Islamic Liberation Front und Regierungstruppen. Es gab null Vertrauen in die lokale Regierung. Die zentrale Herausforderung war, Frieden und Ordnung herzustellen und den Wiederaufbau zu organisieren. Und: Ich war anfangs ein absolutes politisches Greenhorn.

Stationen der Deutschlandreise vom 27. Juni bis 7. Juli 2024:

  • Berlin (27.06.)
  • Ökodorf Bodowin (28.06.)
  • Hamburg (29.06.)
  • Bonn (01.07.)
  • Kirchberg/Jagst (02.07.)
  • Stuttgart (03.07.)
  • Freiburg (04.07.)
  • Basel (05.07.)
  • Nürnberg (06.07.)
  • und München (07.07.).

Weitere Infos unter www.rommelontour.org

Bürgermeister Rommel Arnado kommt vom 27. Juni bis zum 7. Juli 2024 mit einer achtköpfigen Delegation für eine zwölftägige Vortragsreise nach Deutschland, Holland und in die Schweiz kommen. So bietet sich die Gelegenheit, mehr über diese motivierende Erfolgsgeschichte persönlich von Rommel Arnado zu erfahren. forum ist Medienpartner der Tour.

Was war die Ursache für die Gewalt und Zerstörung?

Wir dachten zunächst, dass die Ursache des Konfliktes religiöse und kulturelle Spannungen waren. Der Hauptgrund war aber die verzweifelte Lage der Bevölkerung aufgrund großer Armut. Das totale Versagen von Politik und Verwaltung führte sogar zu einer Hungerkatastrophe und die wiederum zum Krieg.

In Ihrem Plan für Frieden und Wiederaufbau spielte der Öko-Landbau eine zentrale Rolle. Warum?

Ich musste wieder Vertrauen in die Politik herstellen und den Menschen ihre Würde zurückgeben. Wir wollten, dass Kaus- wagan nicht nur eine Region des Friedens, sondern auch ein Zentrum für sichere und gesunde Nahrungsmittelproduktion wird. Die Vision des „From Arms to Farms“-Programms be- ruht auf zwei Säulen: Frieden und nachhaltige Entwicklung. Uns war klar, dass Landwirtschaft ein Schlüssel gegen Hunger ist. Dank des Bio-Landbaus konnten wir zusätzlich die Abhängigkeit, die Kosten und die Umweltzerstörung von industriellen Anbaumethoden vermeiden und damit das Einkommen der bäuerlichen Familien um 40 Prozent steigern. Das bringt Resilienz und Ernährungssicherheit.

Was genau beinhaltet das Programm „Arms to Farms“?

Wir boten den Rebellen an, ihre Waffen gegen Land und Ausbildung in Bio-Landbau zu tauschen. Das haben zunächst vier Kommandeure und 100 Guerillakämpfer akzeptiert. Dann wurden es 600 und schlussendlich legten ein paar Tausend Guerillakämpfer die Waffen nieder. Es gelang uns, mit Bio-Landbau Frieden zu schaffen.

Und warum haben Sie auf den biologischen Landbau gesetzt?

Als ich in der USA lebte, wurde ich auf die biologische Landwirtschaft aufmerksam. Meine Frau und die Kinder kauften Bio-Lebensmittel und überzeugten mich von ihrem Nutzen und ihrer Sinnhaftigkeit. Gesunde Bio-Lebensmittel passten zu meinem Ziel, immer nur das Beste für meine Familie anzustreben. Als ich in Kauswagan in die Politik einstieg, wollte ich das „Beste“ auch für die Bevölkerung – und das sind biologische Lebensmittel.

„DIE ARMUTSRATE SANK VON FAST 80 AUF NEUN PROZENT“

Wie sieht es heute in Kauswagan aus? Wie hoch ist die Armutsrate?

Unsere Programme veränderten die sozio-ökonomische Situation total zum Besseren für die Bevölkerung. Die Armutsrate sank innerhalb von neun Jahren von fast 80 Prozent auf neun Prozent. Dies wurde unter anderem dadurch erreicht, dass alle Familien nun in der Lage sind, Lebensmittel zu produzieren. Wir erreichten mit unserem Ausbildungsprogramm nicht nur die ehemaligen Rebellen, sondern letztendlich alle Bewohnerinnen und Bewohner der Region. Wir etablierten in den Dörfern Gemeinschaftsgärten und Bio-Höfe. Seit fünf Jahren ist es für jeden Haushalt Pflicht, sich einem solchen anzuschließen oder sich aus einem eigenen Garten mit Lebensmitteln zu versorgen.
Sie arbeiten auch mit Misereor, Naturland und Demeter zusammen. Worauf liegt der Fokus? Misereor engagiert sich stark in der Bekämpfung von Armut und möchte unsere Strategien und Erfahrungen im großen Maß verbreiten. Mit den Öko-Verbänden Naturland und Demeter International kooperieren wir vor allem im Hinblick auf die Verbesserung unseres biologischen Landbaus. Und wir entwickeln gemeinsam ein System der Zertifizierung.

Kann Ihre Erfolgsgeschichte als Inspiration für andere Regionen dienen?

Viele Städte und Regionen in unserem Land übernehmen bereits unsere Strategien. Auch sind wir weltweit im Austausch mit interessierten Ländern wie Kolumbien, Guatemala, China, Mongolei und Brasilien. Gerne geben wir unser Wissen und unsere Erfahrungen weiter, insbesondere in Kriegsregionen.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Wir arbeiten daran, dass Kauswagan ein nationales Zentrum für ökologisches und nachhaltiges Lernen wird. Dafür bauen wir gerade ein Institut für biologische Landwirtschaft auf, mit dem wir noch mehr dabei helfen können, dass sich viele Regionen auf den Weg zu 100 Prozent Bio-Landbau machen.

Sie planen für nächstes Jahr eine Vortragsreise in Deutschland. Haben Sie auch Empfehlungen für den globalen Norden im Gepäck?

Mein Ratschlag für Politikerinnen und Politiker ist, den Menschen zuzuhören und für die Sicherung der notwendigen Bedürfnisse zu sorgen. Historisch gesehen hat der globale Norden die natürlichen Ressourcen und die Menschen des Südens mit Kolonialismus extrem und brutal ausgebeutet. Das geschieht letztendlich leider auch heute noch.

Was sollte sich ändern?

Die meisten Länder im globalen Süden wollen sich ökologisch und nachhaltig entwickeln. Dafür muss die Unterstützung signifikant verstärkt werden. Auch Deutschland sollte die nachhaltige Entwicklung im globalen Süden sowie die Bekämpfung der Klimakatastrophe weltweit mehr unterstützen.

Der Text ist zurerst erschienen in der Zeitschrift “Forum Nachhaltiges Wirtschaften” 3/2004, S. 97f.- vielen Dank an Bernward Geier für die Möglichkeit der Übernahme. Die Tourdaten sind der Seite rommelontour.org entnommen.

Rommel Arnado

Er ist seit 14 Jahren Bürgermeister der philippinischen Stadt und Region Kauswagan. Als Christ hat er kreativ und erfolgreich dem biblischen Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“ eine neue Bedeutung gegeben. Sein „Arms to Farms“-Programm hat ihn weltweit bekannt gemacht. Arnado bekam bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Galing Pook Award, der herausragende Kommunalverwaltungen würdigt. Zudem wurde er zum neuen Präsidenten der ALGOA, einer internationalen Organisation für Öko-Landbau, gewählt.

Bernward Geier

Er ist seit über 45 Jahren Journalist und Filmemacher mit dem Schwerpunktthemen Landwirtschafts- und Umweltpolitik, selbst Besitzer einer biologischen Landwirtschaft und lange Jahre Direktor des Dachverbandes für Biologischen Landbau IFOAM; er drehte u.a. den Dokumentarfilm “Der Bauer und sein Prinz” (mit dem Farmer David Wilson, Prinz Charles (jetzt König Charles III), Auma Obama und Vandana Shiva), “Ancient grains for future farms” (Traditionelle Getreidearten für die Landwirtschaft der Zukunft) und !Öko-Rebellen am Himalaya” für das ZDF.

Seit 2009 betreibt er die Agentur COLABORA, mit der er Publikationen, Filme, Veranstaltungen und Projekte organisiert.

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