Rajagopal P.V.: Friedensarbeit heute

Der indische Gandhi-Schüler und Aktivist der Gewaltfreiheit Rajagopal P.V. berichtet vom Friedensmarsch in Kanada gegen Militarisierung und Atomwaffen sowie von möglichen Friedensaufgaben.
Hier ist das Titelbild zu sehen. Es zeigt Rajagopal P.V. vor einem Wald in Kanada während des Friedensmarschs.
Rajagopal P.V. während des Friedensmarschs in Kanada (Screenshot aus dem Video "Walking Together for Peace", https://www.youtube.com/watch?v=0yEySIVK52Q)

von Rajagopal P.V.

Viele Menschen weltweit haben große Angst vor dem möglichen Ausbruch eines Atomkriegs. Dieser könnte in den nuklearen Winter führen, in dem Millionen von Menschen in kurzer Zeit ihr Leben verlieren würden. Wir haben noch immer die Ereignisse in Hiroshima und Nagasaki aus dem Jahr 1945 vor Augen. Wir wissen, was in Tschernobyl während der nuklearen Katastrophe geschehen ist. Friedensaktivist*innen weltweit zeigen sich zutiefst besorgt angesichts der Gefahr eines Atomkriegs.

Leider liegt die Macht in vielen Ländern in den Händen von Kriegstreibern. Diese sprechen weiterhin eine Sprache der Zerstörung. Unser Traum einer gerechten und friedlichen Welt wird damit tagtäglich von einigen der Menschen an der Macht in Frage gestellt. Wie wir alle nur zu gut wissen, ist die Kriegsindustrie am profitabelsten und viele Unternehmen und Länder machen damit riesige Gewinne. Die große Sorge vor Krieg und Gewalt ist damit ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht aus, um das Problem zu lösen. Diejenigen, die beunruhigt sind, müssen aktiv werden und handeln. Sie müssen sich gegen den Wahnsinn von Krieg und Gewalt stellen, der das Leben auf diesem Planeten zerstören könnte.

Friedensmarsch in Kanada gegen Militarisierung und Atomwaffen

Im September 2024 haben eine Reihe engagierter Einzelpersonen und Organisationen in Kanada beschlossen, einen Friedensmarsch zu organisieren. Sie wollten auf die Gefahren von Militarisierung und Atomwaffen hinweisen. Etwa 25 Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt trafen sich am 8. September in einem Dorf mit dem Namen Pugwash und liefen 215 km nach Halifax. Auf dem Weg besuchten sie viele Städte und Dörfer und es kam zu interessanten Gesprächen mit Schüler*innen, afro-kanadischen Gruppen, Angehörigen indigener Völker, mit Kirchengemeinden und der breiten Öffentlichkeit. Viele Aktivist*innen, Sozialarbeiter*innen und Friedensorganisationen aus ganz Kanada unterstützten die Initiative. Für viele in Kanada war dies eine neue Erfahrung. Es war das erste Mal, dass sie zu Fuß von Ort zu Ort gehend für ein Anliegen eintraten. In Indien ist es üblich, für eine Sache zu marschieren, aber in Kanada war dies neu und eine Attraktion für die Zuschauer*innen.

Als Teilnehmer konnte ich während des Marschs die Multikulturalität Kanadas erleben. Ich betrachte mich als Anhänger der Philosophie Gandhis und freue mich immer, wenn ich sehe, wie Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Kultur und Sprache ohne große Konflikte zusammenleben. Viele Jahre lang war Indien stolz auf seinen Multikulturalismus. Heute muss die indische Bevölkerung große Anstrengungen unternehmen, damit dies so bleibt. Es gibt immer noch Orte, an denen wir viel mehr tun können, um Adivasi, Dalits und Minderheitengemeinschaften zu integrieren und ihnen das Gefühl zu geben, Teil einer größeren Familie namens Indien zu sein [Adivasi ist ein Oberbegriff für indigene Bevölkerungen in Indien, mit Dalits werden in Indien die ‚Unberührbaren‘ oder ‚Kastenlosen‘ bezeichnet, d. Red.]. Ich denke, das Kanada von heute zeigt, dass Multikulturalismus eine reale Möglichkeit ist – und das in einer Welt, in der Unterschiede oft zu Hass und Spaltung führen. Es ist wichtig, dass einige Länder vorangehen und zeigen, dass Unterschieden eine Schönheit innewohnt – wie in einem Blumengarten mit Blüten in allen Farben. Dies kann nur von Menschen mit großen Herzen getan werden, und ich wünsche mir, dass mehr Menschen und Länder den Beweis antreten, dass Einheit in der Vielfalt möglich ist.

Friedensgruppe P7 als Gegengewicht zur G7

Am Ende des Marsches kamen einige von uns zusammen, um über die Einrichtung eines Friedensfonds zu diskutieren, der verschiedene Friedensaktivitäten unterstützen könnte. Wir sprachen außerdem über die Gründung der Friedensgruppe der Sieben (Peace Seven – P7): Einzelpersonen und Organisationen in sieben Ländern – für den Anfang – die sich gemeinsam für den Frieden einsetzen. Wenn es eine Gruppe der Sieben (G7) geben kann, warum sollte es dann nicht auch eine P7 geben? Natürlich sollten wir mit der Zeit über Sieben hinausgehen und alle Länder einbeziehen, die sich für den Frieden einsetzen wollen.

Die dritte Idee, über die wir beraten haben, war die der Friedensstipendien. Wir müssen junge Menschen weltweit unterstützen, die ihre Zeit dem Frieden und dem harmonischen Zusammenleben widmen wollen. Wenn wir wirklich an Frieden interessiert sind, müssen Friedensforen, Friedensmärsche, Friedenskonferenzen und viele andere Aktivitäten gefördert werden. Wenn die Menschheit diese Welt mit Gewalt und Krieg überziehen kann, heißt das auch, dass die Menschheit in der Lage ist, Liebe und Frieden zu leben.

Eindrücke des Friedensmarschs vermittelt auch dieses Video.

Englisches Original: A reflection on Peace

A possible Nuclear war is a deep fear for many in different parts of the world. Nuclear war can lead to nuclear winter and millions of us can perish in a short period of time. We continue to remember what happened in Hiroshima and Nagasaki back in 1945. We know what happened in Chernobyl, due to the nuclear disaster. Peace lovers in the world are deeply concerned about the possibility of a nuclear war. Unfortunately leadership in many countries are in the hands of those who are war mongers. They continue to speak a language of destruction. Our dream of a just and peaceful world is being challenged everyday by some of these leaders. As we all know the war industry is the richest and many companies and countries are making huge profits out of it. Being concerned about war and violence is a good first step but that is not enough to address the problem. Those who are concerned will have to come out and act. They will have to challenge the mad rush for war and violence that may destroy life on this planet.

In the month of September 2024. Some well meaning individuals and peace organizations in Canada decided to organise a peace march to highlight the issues related to militarization and nuclear weapons. About 25 people from different parts of the world came together in a village called Pugwash on the 8th of September and they walked about 215 km covering many cities and villages to Halifax. On the way there were interesting dialogue with school students, Afro Canadian groups, indigenous people, church based communities and with the general public. Many activists, social workers, and peace organizations across Canada came forward to support this initiative. This was a new experience for many Canadians as it was the first time that they were walking to promote an idea. In India walking for a cause is common, but in Canada this was new and was an attraction for the onlookers.

As a participant in this March I had the opportunity to experience the multiculturalism of Canada. As a person following Gandhian philosophy it is always a pleasure when I see people of different colours, cultures, languages living together without much conflict. For many years India was proud of its multiculturalism. Indians need to work hard to keep it going. There are still places where we need to make greater efforts to integrate Adivasis, Dalits and minority communities. and give them a feeling that they are part of a larger family called India. I think Canadians as it is today have an opportunity to showcase multi- cultural-ism as a reality, in a world where differences are often creating hate and divisions. It is important for some countries to come forward to showcase that the differences can be a beauty like in a flower garden with flowers of different colours. This can be done only by people with a large heart and I wish more communities and countries will come forward to prove that there can be unity in diversity.

At the end of the march some of us came together to discuss the possibilities to promote a peace fund to support various peace activities. Another interesting idea is creating a peace seven (P-7). Individuals and organizations in seven countries (to begin with) coming together to work for peace. If there can be a G7 why shouldn’t there be a P7. Of course we should move beyond seven to include all those countries who want to work for peace.
The third idea was peace fellowship. We need to support young people in different parts of the world who want to devote their time for peace and harmony. Peace forums, peace walks, peace conferences and many other activities need to be promoted if we are really interested in peace. If humankind can create war and violence on earth, then the same humankind should also be capable of promoting love and peace on earth.

Zum Autor

Rajagopal P.V. ist ein indischer Friedensaktivist in der Tradition Gandhis und kommt ursprünglich aus dem Bundesstaat Kerala. Er ist Gründer und Präsident von Ekta Parishad, einer indischen Graswurzelbewegung, die sich für die Rechte der unterdrückten Landbevölkerung, der Landlosen und der indigenen Bevölkerung Indiens, der Adivasi, einsetzt. Internationale Bekanntheit erreichte er über die Organisation großer Protestmärsche über weite Distanzen in Indien, bei denen bis zu 100.000 Menschen mobilisiert wurden. Siehe auch den Dokumentarfilm „Millions Can Walk“.

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