Trump, die zweite: Die Stunde der Bewegungen in den USA

Welche Folgen hat die erneute Wiederwahl von Donald Trump in den USA für die sozialen Bewegungen? Stephan Brües hat drei kürzlich erschienene Artikel dazu ‘befragt’: von Maria J. Stephan, von Daniel Hunter und von Paul und Mark Engler. Alle stimmen darin überein: Widerstand ist möglich, braucht aber Zusammenarbeit, kluge Planung und langen Atem.
What If Trump has won?
What if Trump has won? - Bearbeiteter Buchtitel von Choose Democracy

von Stephan Brües

Donald Trump wird am 20.01.2025 zum zweiten Mal zum Präsidenten der USA vereidigt.

Wie sollten die sozialen Bewegungen in den USA und anderswo damit umgehen? Was können sie tun?

Warum Trump gewählt wurde

Zunächst einmal – darauf weist Maria J. Stephan in ihrem Artikel [Linkeinfügen] hin – muss analysiert werden, warum so viele Menschen Trump gewählt haben. Die Friedensforscherin nennt

  • die Vehemenz des Misstrauens gegen etablierte Parteien,
  • die Inflation und die damit einhergehenden Risse im Geldbeutel,
  • die erschütternde wirtschaftliche Ungleichheit,
  • der tief verwurzelte Rassismus, die Frauenfeindlichkeit und den Fremdenhass,
  • die weit verbreitete Enttäuschung über die politischen Institutionen und Prozesse,
  • das Gefühl der Hilflosigkeit und den Wunsch nach einem starken Mann,
  • die grassierende Desinformation und
  • das starre Zwei-Parteiensystem bis hin zu den Vorwahlen, die Anreize für parteipolitischen Extremismus bieten.

All das deute auf eine sehr unübersichtliche soziale und politische Realität in den Vereinigten Staaten hin. Wobei die treibende Kraft die wahrgenommene und z.T. rhetorisch herbeigeredete wirtschaftliche Krise war (“It’s the economy, stupid”) (vgl. dazu den Podcast der Böckler-Stiftung).

Während also die Trump-Wähler*innen feiern, wächst im progressiven Lager die Katerstimmung und die Angst vor dem Autoritarismus, vor der Schleifung von Menschenrechten, vor der Massendeportation von Migrant*innen, vor einem Ende der Klimaschutzpolitik und vieles mehr.

Was tun?

In ihrem Artikel ruft Maria J. Stephan dazu auf, die autoritäre Agenda in konstruktive Aktionen für eine transformative Vision zu verwandeln. Dazu sei der Aufbau einer breiten, vielfältigen Bewegung notwendig, welche jedoch – wie Mark & Paul Engler in ihrem Beitrag „Eine neue Bewegung gegen Trump ist im Anmarsch“ anmerken – in Ansätzen bereits vorhanden ist, z.B. Black Lifes Matter, der Womens’ March u.a..

Die Englers wie auch Stephan zeigen sich angesichts der Geschichte der USA und den Erfahrungen mit der ersten Trump-Präsidentschaft durchaus optimistisch, da die Menschen bereits zuvor ähnliche Herausforderungen gemeistet hätten.

Die Englers sehen in verschiedenen Maßnahmen Trumps, etwa die Massenabschiebungen von Migrant*innen, mögliche Auslöser-Ereignisse, die zu einer starken Mobilisierung von Protest und Widerstand führen könnten. Dabei sollten verschiedene Ansätze des Wandels zusammenwirken: Massenproteste, Koalitionsbildung, auch mit Akteuren, mit denen man üblicherweise nicht zusammenarbeiten würde, z.B. Bürokrat*innen (s.u.). Die Bewegungen sollten sowohl reaktive Kämpfe gegen die von der Trump-Regierung herbeigeführten Auslöser-Ereignisse führen als auch eine positive Vision für Veränderung vorantreiben. Ziel sollte sein, die Mehrheit der Amerikaner*innen zu gewinnen und die Koalition der Verbündeten zu erweitern.

Maria J. Stephan setzt darauf, an den Säulen von Trumps’ Macht anzusetzen und diese zu schwächen. Wer sind diese Säulen?

  • Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften sorgen für die entscheidende Arbeits- und Wirtschaftsmacht;
  • Unternehmen stellen finanzielle Mittel und Wahlkampfspenden zur Verfügung;
  • religiöse Organisationen und Gemeinschaften sorgen für moralische Legitimität und eine solide Infrastruktur;
  • traditionelle und soziale Medien bieten Kommunikationsnetzwerke;
  • Bürokrat*innen stellen das notwendige Know-how und die Fachkenntnisse für die Umsetzung der Politik zur Verfügung;
  • kulturelle Führer*innen und Einflussnehmer*innen bieten Reichweite und Zugang zu Fangemeinden;
  • die Polizei und das Militär dienen der gerechten Strafverfolgung oder Unterdrückung.

All diese Gruppen müssen in ihrem Handeln, in ihren Beiträgen zur Macht Trumps analysiert werden, um mit diesem Wissen Strategien zu entwickeln, um sie zu schwächen. Entscheidend sei dabei die taktische innovation und Flexibilität, die auch auf Provokationen der Regierungsseite vorbereitet ist.

Wichtig ist zudem der Aufbau von Solidaritätsnetzwerken zum Schutz gefährdeter Gruppen. Dieses Stichwort greift Daniel Hunter auf.

Daniel Hunters' Empfehlungen für engagierte Menschen

Der Beitrag von Daniel Hunter, den er einen Tag vor der Präsidentschaftswahl Trump gegen Harris veröffentlichte, bietet zehn psychologische und politische Empfehlungen des Umgangs mit der Wahl Trumps, die sich zunächst eher an Individuen richten, aber auch konkrete strategische Aspekte beinhalten:

1. Innere Stärke aufbauen: Der Autor betont die Wichtigkeit, sich psychologisch auf eine Trump-Präsidentschaft vorzubereiten und innere Stabilität zu bewahren. Ohne ein Vertrauen in sich selbst und andere wird niemand aktiv werden, sondern eher  den Narrativen des Misstrauens, z.B. gegen Migrant*innen folgen.

2. Vertrauen aufbauen: In Zeiten zunehmenden Misstrauens ist es wichtig, Vertrauen zu sich selbst und anderen aufzubauen. Es wird empfohlen, kleine Gruppen von vertrauenswürdigen Personen zu bilden, um sich gegenseitig zu unterstützen. Das können Familie und Freund*innen sein, aber auch Nachbarn oder andere Menschen.

3. Trauer, Unsicherheitsgefühle oder Wut zulassen: Der Autor betont die Wichtigkeit, Verluste zu betrauern und Gefühle zuzulassen. So könne aus diesen Gefühlen Energie für Widerstand entstehen.

4. Prioritäten setzen: Es ist wichtig zu akzeptieren, dass man nicht alles ändern kann, sondern sich auf bestimmte Themen konzentrieren muss. Rein symbolische Aktionen (z.B. Demonstrationen, Petitionen etc.) sollten unbedingt begleitet werden durch konkrete, aktive Schritte gegen spezifische Ungerechtigkeiten (z.B. Nichtzusammenarbeit mit dem Unrecht; einige Beispiele finden sich unter Punkt 5).

Vier Hauptpfade des Widerstands
Vier Hauptpfade des Widerstands (deutsche Version einer Grafik von Daniel Hunter)

5. Den eigenen Pfad des Widerstands finden: Hunter schlägt vier Hauptpfade vor:

a) Menschen schützen: Der Schutz bezieht sich auf besonders gefährdete Personengruppen (Trans-Menschen, Frauen, die abtreiben, Migrant*innen). Dies mag die Organisation von Gesundheitsdiensten außerhalb des offiziellen sein. Oder Ressourcen in Gemeinden zu mobilisieren, die besonders betroffen sind. Zudem könnten Willkommenskomitees für Migrierende gegründet werden, Funds eingerichtet werden für Abtreibungswillige oder Trainings von Freiwilligen angeboten werden, die Sicherheitsstrukturen gegen die Gewalt von weißen Nationalisten organisieren. 

b) Zivile Institutionen verteidigen: Bürokratien haben eigene Mechanismen, um sich gegen Veränderungen zu wehren. Zusätzlich könnten Beamt*innen, die von der deregulierenden Trump-Regierung gekündigt werden, einfach weiterarbeiten oder anderweitig versuchen, ungerechte Maßnahmen zu verhindern. Die sozialen Bewegungen könnten die Gekündigten finanziell und ideell unterstützen, sie öffentlich feiern als Menschen, die für eine gute Haltung bestraft wurden etc. 

c) Stören und nicht gehorchen: Hier bezieht sich Hunter auf die historischen Beispiele des Widerstands der norwegischen Lehrer*innen gegen die Nationalsozialisten in den 1940er Jahren und den Aktivitäten von Otpor gegen den serbischen Autokraten Slobodan Milosevic. Er erweitert diese zu einem Zivilen Ungehorsam vieler Menschen (Steuerboykott, Generalstreik etc.). Trainings dafür finden sich auf dem englischen Dokument “Strategische Eskalation gegen Trump”.

d) Alternativen aufbauen: Die Aktiven sollten nicht nur auf das Schlechte reagieren, sondern auch eine positive Vision einer alternativen demokratischeren Form der Politik entwickeln. Dazu gehört, sich Grundkenntnisse des Widerstands anzueignen, aber auch Awareness- und Care-Arbeit, Kulturarbeit, lokale und ökologische Wege des Nahrungsmittelanbaus und neue Formen der Kinderbetreuung, Bürgerhaushalte oder auch Überlegungen, einen Verfassungskonvent zu schaffen, um aus dem Schlamassel mit dem Wahlsystem herauszukommen.

6. Sich nicht selbst zensieren: Die Weigerung der Washington Post oder LA Times, sich auf die Seite eines der Präsidentschaftskandidat*innen zu stellen, ist nach Ansicht von Hunter eine Form der Selbstzensur. Politischer Raum, der nicht genutzt wird, ist verloren. Stattdessen müsse der politische Raum genutzt und die  Stimme erhoben werden!

7. Erneuerung der politischen Landkarte: Hunter berichtet, dass er mit pensionierten Militärs und Republikanern zusammengesessen habe, um Szenarios durchzuspielen, die verhindern könnten, dass das Gesetz gegen Aufstände dazu benutzt werden könnte, um friedlichen Protest zu unterdrücken. Für den Antikriegs-Aktivisten Hunter waren diese Personen merkwürdige Bündnispartner, aber angesichts der Gefahren, die von Trump & Co ausgehen, notwendige. Was ist wichtiger – so fragt Hunter – die eigene ideologische Reinheit zu wahren oder die Gefahren abzuwehren, mit wem auch immer. Dazu ist es notwendig, den möglichen Bündnispartner*innen die Kraft des Widerstands und des Ungehorsams zu zeigen.

8. Wissen um das Phänomen der Macht, um die Kraft zum Widerstand zu finden: Hunter bringt das Modell des auf dem Kopf stehenden Dreiecks ins Spiel, das Sharp propagierte. Es fällt zusammen, wenn die Seiten nicht gestützt werden – und zwar nicht nur von der Regierungsbürokratie, sondern auch von einer Vielzahl von Menschen, die zuarbeiten. Beim ersten Regierungs-Shutdown, den Trump aufgrund des Haushaltsstreits ausgerufen hatte, hat das Bordpersonal vieler Fluglinien landesweit gestreikt – und Trump gab sofort nach. Kurz: Wenn die Bevölkerung sich einer Regierung, die Unrechtes tut, verweigert, wankt deren Macht.

9. Mit Angst umgehen und Gewalt ins Leere laufen lassen: Otpor hat in ihrem Widerstand gegen Milosevic häufig Repression erfahren. Sie machten untereinander Witze über die Wirkung der Schläge, die sie erhielten. Sie begleiteten die Festgenommenen. Und sie machten die Handlungen von Polizisten, die als Schläger identifiziert wurden, öffentlich – verbunden mit dem Angebot an diese Polizisten, auf die Seite der Opposition zu wechseln. Ein anderer Weg, den die Bürgerrechtsbewegung während des Busboykotts in Alabama durchführte, war es, sich selbst als Führer*innen dieser Bewegung anzuzeigen und verhaftet zu werden. Weitere Informationen zu dieser Backfire-Technik finden sich auf der Seite von HOPE (Harnessing our power to end political violence, deutsch: Nutzen wir unsere Kraft, um politische Gewalt zu beenden).

10. Sich eine neue Zukunft vorstellen, d.h. sich Szenarios vorzustellen, wie Trump aus seinem Amt entfernt werden kann: Zum Beispiel bei den Vorbereitungen zu den nächsten Wahlen auf kommunaler, Bundesstaaten- oder nationaler Ebene (z.B. Midterm), indem diejenigen, die mit dem Wahlverfahren zu tun haben, alle Versuche, kurzfristig das Wahlrecht zu verändern etc. abwehren. Oder, wenn Trump in einigen Politikfeldern zu weit gehen würde (in der Migrationsfrage oder beim Klimaschutz), durch massenhafte Streiks und Lahmlegen der Wirtschaft. Es könnten sich auch einige Trump-Unterstützer*innen wieder von ihm abwenden. Selbst wenn dies alles noch schwer vorstellbar zu sein scheint, so ist es doch möglich. Und das mache Hoffnung, so schließt Hunter.

Fazit

Alle drei Autor*innen betonen in ihren Beiträgen die Notwendigkeit, sich sowohl emotional als auch strategisch auf die Trump-Präsidentschaft vorzubereiten und dabei langfristig und gemeinschaftlich zu denken.

Nötig ist der Schutz jener, die besonders stark von den (wahrscheinlichen) Maßnahmen Trumps betroffen sein werden, aber auch jener Bürokrat*innen und Kommunalpolitiker*innen, die ein staatliches Handeln gegen die Interessen einzelner Unternehmen ermöglichen bzw. umsetzen können.

Wichtig ist es zudem, neue Allianzen mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen zu schmieden, neue kreative Ideen des Widerstands und Gegenmodelle zum reaktionären und korrupten Libertärismus von Trump und Konsorten zu entwickeln. Einige Bewegungen stünden bereit und Trainingsmanuale, z.B. von Choose Democracy und anderen.

Zum Autor

Stephan Brües ist Redakteur der gewaltfreien aktion.

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