Widerstand in den USA: Der Konsumboykott nimmt Fahrt auf. Wie geht es weiter?

Der Konsumboykott am 28. Februar war ein wichtiger erster Schritt. Aber um eine größere Wirkung zu entfalten, müssen zukünftige Boykotte noch besser organisiert werden.
Hier erscheint das Titelbild. Es zeigt ein Plakat mit einem Aufruf zum Konsumboykott am Freitag, den 28.02.2025 in englischer Sprache. Als Boykottziele werden Amazon, Walmart, Target, Fast-Food und Gas genannt und als Alternativen Kaleine Geschäfte und Barzahlung empfohlen.
Plakat zum Konsumboykott am Freitag, 28.02.2025 (gepostet auf Instagram von #martarich63)

Von Daniel Hunter, 4. März (Update: 7.März)

In den sozialen Medien wird viel darüber diskutiert, wie erfolgreich der Konsumboykott vom 28. Februar war. Der Boykott war als 24-stündiger wirtschaftlicher Konsumstreik ausgerufen worden, um gegen die Profitgier der Unternehmen und gegen Firmen wie Target, Walmart und Amazon zu protestieren, die auf Druck von Präsident Donald Trump ihre Bemühungen um Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion zurückschrauben. Die Veranstaltung wurde von einer Person namens Jai ins Leben gerufen (alias John Schwarz, aktiv in der „People’s Union“) und fast ausschließlich online durch Memes und unterschiedliche Aufrufe mit Absichtsbeschreibungen  organisiert [siehe https://knowyourmeme.com/memes/events/february-28th-2025-economic-boycott, d.Red.].

Bei der Bewertung der Geschehnisse vom 28. Februar sind zwei Tatsachen zu beachten: Kein eintägiger Boykott hat jemals sein Ziel vollständig erreicht. Und in den Vereinigten Staaten war dies einer der größten eintägigen Konsumstreiks aller Zeiten.

Da es jedoch keine zentrale Organisationsinfrastruktur gab, ist es schwer zu sagen, wie viele Menschen teilgenommen haben.

Der Boykott wurde auch für Mobilisierungsaktionen genutzt. So haben Geistliche aus Chicago am Vortag eine Pressekonferenz abgehalten, um öffentlich den Boykott zu unterstützen, (…) oder der „Resistance Revival Chorus“ in New York, hat bei Gesang und Protest die Menschen dazu aufgefordert, am nächsten Tag an seiner Tesla-Aktion teilzunehmen. (…)

Mitglieder der Bewegung „Free DC“ brachten Schilder vor einer Filiale des Einzelhändlers Target an, auf denen „Nein“ stand, und sie erstellten eine Broschüre mit lokalen Geschäften, die sie unterstützen wollten. Vielerorts wurden lokale Geschäfte, z.B. Buchläden aufgelistet.

Der Boykottaufruf wurde von einigen Prominenten unterstützt, z.B. der Sängerin Cyndi Lauper, der Rockband Pearl Jam, der Schauspielerin Taraji P. Henson, dem Autor Stephen King und dem Schauspieler und Komiker John Leguizamo.

Die betroffenen Unternehmen waren natürlich daran interessiert, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Boykotts zu leugnen. Es gibt jedoch Berichte darüber, dass es solche gab, z. B. sagte eine Kassiererin: „Es waren so wenige Kunden da, dass wir die meiste Zeit des Tages nur zwei Kassen offen haben mussten.“ Der Boykott brachte viele Menschen dazu, über ihre persönlichen Ausgabenprioritäten nachzudenken: Wollen wir unser Geld den Großkonzernen geben, die uns ständig hinters Licht führen? Welche Alternativen haben wir?

Für viele Menschen war es der erste öffentliche Schritt gegen dieses grauenhafte Regime von Tyrannen und Milliardären. Der Molekularbiologe und Mentalist Zi Teng Wang, der den Boykott unterstützt hat, trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er auf Facebook schreibt: „Wenn jemand, der noch nie etwas in diese Richtung unternommen hat, sich an einem symbolischen eintägigen Boykott beteiligt, dann sag nicht, dass diese Aktion sinnlos ist. … Menschen brauchen Übung darin, solche Dinge zu tun!”

Wie lässt sich der Erfolg eines Boykotts messen?

Damit Boykotte funktionieren, brauchen sie klare Forderungen, eine feste Struktur, eine gute Koordination und ein Verfahren, um den erzeugten Druck zu messen.

Im Fall des 28. Februars war der Boykott so nebulös, dass es nicht einmal klare Forderungen gab. Boykotte tun wirtschaftlich weh, aber das betroffene Unternehmen muss auch wissen, was es tun kann, um einen Konsumstreik zu beenden. Und die Boykottierenden müssen wissen, wann sie ihre Forderungen erreicht haben. Das Fehlen einer klaren Forderung war einer der vielen berechtigten Kritikpunkte an diesem Boykotttag. Der Boykott war insofern schlecht organisiert, als er keine feste Struktur hatte und weder die wirtschaftlichen Auswirkungen noch die Zahl der Teilnehmenden auch nur annähernd abschätzen konnte. Auch das sind berechtigte Kritikpunkte.

Aber die Aktion hat eindeutig einen ersten Funken entfacht. Und es gibt weitere Fragen, die wichtig sind:

Hat die Aktion nicht gezeigt, dass die Menschen aktiv werden wollen? Und ist dies eine Taktik, die sie bereit sind, auszuprobieren?

In dieser Hinsicht können wir uns den 28. Februar wie ein Training vorstellen. Nach einem Training bekommt man noch keine Muskeln, man muss seine Muskeln immer wieder anspannen und sich auf mehr vorbereiten.

Gemessen daran, dass Interesse geweckt und der Widerstand eingeübt wurde, war der Boykott ein voller Erfolg. Andererseits: Wenn die Aktion nur einen Tag dauert, können die Unternehmen den Sturm ohne Mühe überstehen und zur Tagesordnung übergehen.

Boykott kann funktionieren, aber nicht ohne eine feste Struktur

Die Organisation von Boykotten muss also verbessert werden. Die „People’s Union USA“, die zu der Aktion am 28. Februar aufgerufen hatte, hat nun eine ganze Reihe von nachfolgenden Boykotttagen mit unterschiedlichen Zielen angekündigt. Aber das Fehlen klarer Forderungen oder einer Struktur, in der sich Streikende organisieren, bedeutet, dass das Vorgehen unweigerlich scheitern muss – und wiederholte Misserfolge werden die Menschen zu dem falschen Schluss führen, dass die Konsumstreiks als Taktik nicht funktionieren können.

Ich gehöre einer Gruppe an, die  „Boycott Central“ ins Leben gerufen hat, weil wir beobachten konnten, dass es eindeutig ein Interesse an Boykotten als Taktik gibt. Wir haben einige gängige Boykott-Beispiele zusammengetragen und haben eine Liste mit über 4.000 Personen erstellt, die an wirksamen Boykotten interessiert sind – für alle, die solche auf Grundlage einer überlegten Strategie entwickeln wollen. Auf unserer Webseite beschreiben wir Elemente, die aus unserer Sicht für einen erfolgreichen Boykott notwendig sind.

Der Traubenboykott der „United Farm Workers“ 1970 war ein branchenweiter Boykott von kalifornischen Trauben, der die Agrarunternehmen zwang, mit den Landarbeiter*innen zu verhandeln. Er lief nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan ab: monatelange Organisation von Unterstützungsgruppen im ganzen Land, eine nationale Tournee von Landarbeiter*innen, Streikposten vor Lebensmittelgeschäften und mehr. (…)

Der berühmt-berüchtigte, von Konservativen initiierte „Bud-Light-Boykott“ vom April 2023 war auch sehr erfolgreich (21 Prozent Umsatzverlust). [Er entzündete sich daran, dass Budweiser die transgender-TikTok-Influencerin Dylan Mulvany als Werbeikone aufbaute – was bei den konservativ-reaktionären Biertrinkern nicht gut ankam und sie zu einem Boykott animierte. Hier zeigt sich, dass Boykotte auch mit menschenrechtlich problematischen Zielen durchgeführt werden können, d.Red.].

Er erfüllte die folgenden Voraussetzungen:

  • ein Ziel (ein Unternehmen, das sein Verhalten ändern soll)
  • eine Forderung (damit das betroffene Unternehmen weiß, was es tun muss, damit der Boykott beendet wird)
  • Boykotteur*innen (viele Leute, die früher Kund*innen waren und sich weigern, weiterhin solche zu sein)
  • Führung/Verhandlungskomitee (Leute, die dem Zielunternehmen zeigen können, dass sie ihm schaden und über Forderungen verhandeln können)
  • eine Möglichkeit zur Kommunikation mit den Boykotteur*innen (eine Struktur und eine große soziale Reichweite!).

Die meisten der seit Trumps Amtsantritt eingeleiteten Boykotte erfüllen diese fünf Voraussetzungen nicht. Aber das ist kein Grund zur Verzweiflung, denn für erfolgreiche Boykotte brauchen wir Zeit, um sie gut zu organisieren. Und es gibt bereits vielversprechende Versuche:

Pastor Jamal Bryant aus Atlanta hat dazu aufgerufen, ab 5. März (Aschermittwoch, dem Beginn der Fastenzeit) 40 Tage lang ‚Target zu fasten‘, also dort nicht einzukaufen. Die Bewegung „Latino Freeze“ ruft dazu auf, die Gelder von Unternehmen einzufrieren, die ihre Politik in Bezug auf die Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration aufgegeben haben. Es gibt viele verschiedene Aufrufe, die sich untereinander und bezüglich ihrer Termine noch nicht abgesprochen haben.

Viele von uns warten gespannt auf das „National Action Network“ von Rev. Al Sharpton, das sich Zeit nimmt, um zu recherchieren und zu verhandeln, bevor es zwei Ziele auswählt. Das Netzwerk wird seinen Plan in etwa 45 Tagen bekannt geben.

Die Tesla-Boykott-Kampagne ist derzeit der effektivste Boykott. Sie ist nicht nur ein Meme in den sozialen Medien, sie setzt auch Aktionär*innen unter Druck und umfasst Straßenproteste. So hat die Vereinigung der Lehrer*innen (American Federation of Teachers, AFT, zweitgrößter Lehrer*innen-Gewerkschaft in den USA, d. Red.) gerade einen Brief an große Vermögensverwaltungsfirmen geschickt und dazu aufgerufen, den Wert von Tesla neu einzustufen. 

„Tesla Takedown“ hat im ganzen Land Aktionen vor Tesla-Ausstellungsräumen organisiert. Die Kampagne hat der Marke Tesla bereits schweren Schaden zugefügt. Im Jahr 2024 verzeichnete Tesla einen Einbruch der weltweiten Verkaufszahlen um 1,1 Prozent – der erste Rückgang seit einem Dutzend Jahren. Und der jüngste Ausverkauf der Tesla-Aktien hat das Nettovermögen von Elon Musk um über 100 Milliarden Dollar geschmälert.

In Zukunft wird es mehr Boykottaufrufe geben. Während jeder von uns Memes austauscht, müssen wir sichergehen, dass sie die Voraussetzungen für eine wirksame Aktion erfüllen und zielgerichteter werden, damit die Kraft nicht nachlässt. Aber das große Interesse am wirtschaftlichen Konsumstreik des 28. Februar zeigt, dass es ein verbreitetes Bedürfnis gibt, die großen Unternehmen dort zu treffen, wo es weh tut.

Ergänzung (7. März 2025):

Am Mittwoch berichtete die Zeitschrift Forbes, dass die Nutzer*innen-Zahlen der Target-Webseite im Vergleich zu den vorangegangenen Freitagen am 28. Februar um 9 Prozent zurückgingen und die Anzahl der treuesten Kundschaft (App-Nutzer*innen) einen Rückgang von 14 Prozent verzeichneten. Walmart verzeichnete ebenfalls einen Rückgang von 5 Prozent (während Amazons App und einige andere Unternehmen in dieser Zeit zulegten).

Am nächsten Tag wurde ein Meinungsartikel veröffentlicht, in dem festgestellt wurde, dass am Boykotttag 11 Prozent weniger Menschen in den Target-Filialen waren.

Am erstaunlichsten ist, dass 16 Prozent der Verbraucher*innen in einer Umfrage angaben, sich am 28. Februar am nationalen Einkaufsboykott beteiligt zu haben was, wenn die Statistik stimmt, über 40 Millionen Menschen wären! 

Über den Autor

Daniel Hunter ist Koordinator für internationale Bildungsarbeit (Global Trainings Manager) bei 350.org und Lehrplanentwickler bei „Sunrise Movement“.

Er hat zahlreiche ethnische Minderheiten in Burma, Pastor*innen in Sierra Leone und Unabhängigkeitsaktivist*innen im Nordosten Indiens ausgebildet.

Er hat mehrere Bücher geschrieben, darunter das „Handbuch Klimawiderstand“ („Climate Resistance Handbook“) und „Aufbau einer sozialen Bewegung gegen die neue Jim-Crow-Politik“ („Building a Movement to End the New Jim Crow“).

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