Von Martin Arnold, 21. April 2025
Wir trauern mit um den „Hirten, der den Geruch seiner Schafe annehmen wollte“, weil er ihnen nahe war. Seine erste Reise führte ihn zu den Geflüchteten nach Lampedusa – ein starkes Zeichen seiner gelebten Barmherzigkeit.
Doch sein Wirken ging weit darüber hinaus: Seine Botschaft zum Weltfriedenstag 2017 ist von anhaltender politischer Tragweite. Denn aktive Gewaltfreiheit kann politische Prozesse auf eine sozialverträgliche und menschenfreundliche Grundlage stellen. Voraussetzung dafür ist, dass ihre überlegene Wirksamkeit gegenüber Gewalt allgemein bekannt wird – eine Erkenntnis, die die Politikwissenschaftlerinnen Erica Chenoweth und Maria Stephan in ihren Studien belegt haben. Als erster Papst erklärt der argentinische Papst die aktive Gewaltfreiheit zum politischen Stil.
Wie wichtig ihm dies war, ist auch an der Unterstützung für das im Herbst 2024 gegründete Katholische Institut für Gewaltfreiheit zu erkennen.
Auszüge aus Papst Franziskus‘ Friedensbotschaft:
Papst Franziskus: Gewaltfreiheit als Stil einer Politik für den Frieden*
(…) Möge die Gewaltfreiheit von der Ebene des lokalen Alltags bis zur Ebene der Weltordnung der kennzeichnende Stil unserer Entscheidungen, unserer Beziehungen, unseres Handelns und der Politik in allen ihren Formen sein. (…) Erlaubt die Gewalt, Ziele von dauerhaftem Wert zu erreichen?
Löst nicht alles, was sie erlangt, letztlich nur Vergeltungsmaßnahmen und Spiralen tödlicher Konflikte aus, die allein für einige wenige „Herren des Krieges“ von Vorteil sind?
Die Gewalt ist nicht die heilende Behandlung für unsere zerbröckelte Welt. Auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren, führt bestenfalls zu Zwangsmigrationen und ungeheuren Leiden, denn große Mengen an Ressourcen werden für militärische Zwecke bestimmt und den täglichen Bedürfnissen der Jugendlichen, der Familien in Not, der alten Menschen, der Kranken, der großen Mehrheit der Erdenbewohner entzogen. Schlimmstenfalls kann sie zum physischen und psychischen Tod vieler, wenn nicht sogar aller führen. (…)

Die frohe Botschaft
(…) Jesus (…) lehrte seine Jünger, die Feinde zu lieben (vgl. Mt 5,44) und „die andere Wange“ hinzuhalten (vgl. Mt 5,39). Als er die Ankläger der Ehebrecherin daran hinderte, sie zu steinigen (vgl. Joh 8,1-11), und als er in der Nacht vor seinem Tod Petrus gebot, sein Schwert wieder in die Scheide zu stecken (vgl. Mt 26,52), zeichnete Jesus den Weg der Gewaltfreiheit vor (…).
Wer die Frohe Botschaft Jesu annimmt, weiß (…) die Gewalt, die er in sich trägt, zu erkennen und lässt sich … heilen. So wird er selbst ein Werkzeug der Versöhnung (…). Jünger Jesu zu sein bedeutet heute, auch seinem Vorschlag der Gewaltfreiheit nachzukommen. (…)
Benedikt XVI. sagte bei seinem Angelus-Gebet am 18. Februar 2007 : „Die Feindesliebe bildet den Kern der ‚christlichen Revolution‘ (…), sie besteht nicht darin, sich dem Bösen zu ergeben, (…) sondern darin, auf das Böse mit dem Guten zu antworten (vgl. Röm 12,17-21), um so die Kette der Ungerechtigkeit zu sprengen.“ (…)
Mächtiger als die Gewalt
Die Gewaltfreiheit wird manchmal im Sinn von Kapitulation, Mangel an Engagement und Passivität verstanden, aber in Wirklichkeit ist es nicht so. (…) Die entschieden und konsequent praktizierte Gewaltfreiheit hat eindrucksvolle Ergebnisse hervorgebracht (…) die von Mahatma Gandhi und Khan Abdul Ghaffar Khan erreichten Erfolge bei der Befreiung Indiens sowie die Erfolge Martin Luther Kings jr. gegen die Rassendiskriminierung.
Besonders die Frauen sind oft Vorreiterinnen der Gewaltfreiheit, wie zum Beispiel Leymah Gbowee und Tausende liberianische Frauen, die Gebetstreffen und gewaltlosen Protest (pray-ins) organisiert und so Verhandlungen auf hoher Ebene erreicht haben im Hinblick auf die Beendigung des (…) Bürgerkriegs in Liberia (siehe dazu den Animationsfilm des BSV bzw. den Dokumentarfilm „Zur Hölle mit dem Teufel – Frauen für ein freies Liberia“ von Gini Reticker, d. Red.]. (…)
(…) Johannes Paul II. (…) [kommt in seiner Enzyklika Centesimus annus (1991), d. Red.] zu dem Schluss: (…): „Mögen die Menschen lernen, gewaltlos für die Gerechtigkeit zu kämpfen … und in internationalen Konflikten auf den Krieg [zu verzichten].“ (Nr. 23)
(…) Die Gewalt ist eine Schändung des Namens Gottes. (…) Nur der Friede ist heilig, nicht der Krieg! (…)
Meine Einladung
Der Aufbau des Friedens durch aktive Gewaltfreiheit ist ein notwendiges Element (…). Jesus selbst bietet uns ein „Handbuch“ dieser Strategie zum Aufbau des Friedens in der (…) Bergpredigt an. (…) Selig, die keine Gewalt anwenden – sagt Jesus –, selig die Barmherzigen, die Friedenstifter, selig, die ein reines Herz haben, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.
Das ist auch ein Programm und eine Herausforderung für die politischen und religiösen Leader, für die Verantwortungsträger der internationalen Einrichtungen und für die Leiter der Unternehmen und der Medien der ganzen Welt: die Seligpreisungen in der Art der Ausübung ihrer Verantwortung anzuwenden (…).
Eine Herausforderung, die Gesellschaft, die Gemeinschaft oder das Unternehmen, für das sie verantwortlich sind, im Stil der Friedensstifter aufzubauen; Barmherzigkeit zu beweisen, indem sie es ablehnen, Menschen auszusondern, die Umwelt zu schädigen oder um jeden Preis gewinnen zu wollen. (…)
Zum Schluss
(…) “Alle ersehnen wir den Frieden; viele Menschen bauen ihn täglich mit kleinen Gesten auf; viele leiden und nehmen geduldig die Mühe auf sich, immer wieder zu versuchen, Frieden zu schaffen.” (Papst Franziskus: Regina Caeli, Bethlehem, 25. Mai 2014 ).
Bemühen wir uns (…) darum, Menschen zu werden, die aus ihrem Herzen, aus ihren Worten und aus ihren Gesten die Gewalt verbannt haben, und gewaltfreie Gemeinschaften aufzubauen, die sich um das gemeinsame Haus kümmern.
“(…) Alle können ‘Handwerker’ des Friedens sein.” (Appell von Assisi, September 2016.
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2016 Franziskus [1936-2025]
Botschaft zum Weltfriedenstag 2017, © Libreria Editrice Vaticana
Der gesamte Text findet sich hier.